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Von Klemperer bis TikTok: Warum die Sprache der Rechten so gefährlich ist

Immer mehr Jugendliche wenden sich rechtsradikalen Ideologien zu, deren Strukturen an den Nationalsozialismus der 1930er-Jahre erinnern. Trotz Millionen von Dokumenten und Zeitzeugenberichten leugnen auch heute Unbelehrbare den Holocaust. Das zeigen alarmierende Zahlen. Die Ursachen dafür seien vielfältig, erklärt Prof. Dr. Michael Brenner (München/Washington D.C.), mit dem wir ein transatlantisches Interview per Video-Streaming führen konnten. Im Gespräch geht es um die Geschichte der Juden in Deutschland, die Auswirkungen israelischer Politik, aber auch um den Umgang mit Sprache, Fake News und Propaganda – damals wie heute.

Ohne Persönlichkeiten wie Albert Einstein oder Heinrich Heine wäre deutsche Geschichte undenkbar – beide hatten jüdische Wurzeln. Das Judentum ist seit über 1.700 Jahren Teil Deutschlands: Bereits 321 n. Chr. wird die erste jüdische Gemeinde erwähnt. Prof. Brenner betont, dass nach dem Tod der letzten Holocaust-Zeitzeugen neue Wege in der Bildung notwendig sind. Ziel müsse es sein, den Alltag jüdischen Lebens zu vermitteln, statt die Vergangenheit nur in Schreckensbildern zu erzählen. „Nicht jeder Vergleich zur Nazi-Zeit ist sinnvoll“, sagt Brenner. „Aber aus der Geschichte lernen – das bleibt entscheidend.“

Wie der Nationalsozialismus einst das Bild Deutschlands zerstörte, so habe die AfD mit den Aussagen ihres Vorsitzenden Alexander Gauland für ein negatives Image der Bundesrepublik gesorgt. Dem müsse man entschieden entgegentreten – mit Aufklärung, die bereits in Schulen neu verankert werden müsse. Deutschland müsse heute nicht „entnazifiziert“ werden, so Brenner, aber es müsse weiter lernen. Er erinnert daran, wie Hitler den Nationalsozialismus fast wie eine Religion inszenierte – mit Unterstützung von Teilen der Kirchen, die sogar einen „arischen Jesus“ konstruierten.

Ein zentrales Merkmal des NS-Regimes war die Manipulation der Sprache. Der Literaturwissenschaftler Victor Klemperer dokumentierte dies in seinem Werk „LTI – Lingua Tertii Imperii“. Brenners Mutter, damals selbst Zwangsarbeiterin in Dresden, lernte Klemperer persönlich kennen – beide gezeichnet durch den gelben Stern, beide in ständiger Angst vor Deportation. Auf die Gegenwart angesprochen, zieht Brenner klare Linien: „Über israelische Politik darf man diskutieren. Aber das Verbrennen einer Fahne vor einer Synagoge ist Antisemitismus.“

Brenner erinnert auch an die Vorgeschichte der Staatsgründung Israels 1948, beeinflusst durch den Dreyfus-Prozess in Frankreich und die Berichterstattung des Wiener Journalisten Theodor Herzl. Heute platzt Israel demografisch aus allen Nähten – teils auf Kosten der Umwelt. Diese Entwicklung verschärft die Spannungen in der Region, die letztlich nur politisch gelöst werden können.

Deutschland trägt eine besondere Verantwortung, mahnt Brenner. Nur durch Bildung, Aufklärung und gelebte Toleranz könne friedliches Zusammenleben gelingen – mit Juden, Muslimen, Migranten und allen anderen gesellschaftlichen Gruppen.

Das Interview in der Reihe „Lokalpolitik im Havelland“ moderierte Michael Huppertz. Erstveröffentlichung, 31. Juli 2021

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