Matthias Platzeck: Frieden schaffen – Missverständnisse ausräumen
24. Juni 2021, ein fast normaler Tag. In der havelländischen Kreisstadt wird mit einer Andacht das 25-jährige Jubiläum des Förderkreises zum Wiederaufbau der in den letzten Kriegstagen zerstörten St.-Marien-Andreas-Kirche begangen. Festredner ist Matthias Platzeck, ehemaliger Ministerpräsident von Brandenburg und heutiger Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums. Die gesamte Veranstaltung haben wir aufgezeichnet.
Montags in Deutschland: Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten konferieren, Termine werden verteilt – irgendwo in der Welt. Platzeck weiß, wovon er spricht. Schon während seiner Amtszeit wurde er regelmäßig zu den wenig beliebten Russlandtreffen entsandt, während andere Kollegen lieber in anderen Regionen ihre Netzwerke pflegten. Sein Vorteil: Er kennt Sprache, Kultur und Schrift des Landes – und gilt bis heute als Brückenbauer. Nach seiner Amtszeit wurde er in den Vorstand des Deutsch-Russischen Forums berufen.
Platzeck wirbt für Verständigung, um Missverständnisse zwischen Russland und Deutschland auszuräumen. Er erinnert an die „Primakowsche Schleife“ über dem Atlantik während der Bombardierung Belgrads, beschreibt die seit sieben Jahren erfolglosen Sanktionen und deren Folgen: steigender Militarismus und wachsende antiwestliche Stimmungen quer durch alle Generationen der russischen Gesellschaft. Auch außenpolitische Fehler nennt er – einen „Scherbenhaufen“, wie er sagt. Fatal wären Entwicklungen, die ein Auseinanderbrechen Russlands zur Folge hätten. Die Atommacht verfüge über 6.000 Sprengköpfe. „Nicht auszudenken“, so Platzeck, „wenn diese auf neue Länder verteilt würden und in die Verantwortung unterschiedlicher Machtstrukturen fallen.“
Unterstützung findet er beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der jüngst erstmals auch die deutschen Verbrechen in Weißrussland thematisierte – ein Signal, das in Russland wahrgenommen wird. Platzeck selbst sagt klar: „Russland ist keine Demokratie, wie wir sie uns vorstellen, sondern ein autokratisches System.“ Und doch wirbt er mit einem Zitat von Egon Bahr um Verständnis: „Setze dich einmal auf die andere Seite des Tisches und lerne zu verstehen.“
Sein Vorschlag: eine zweite Helsinki-Konferenz, um in allen Ländern die Grundlagen für dauerhaften Frieden zu schaffen – nach Bahrs Motto: „Amerika ist unverzichtbar, Russland ist unverrückbar.“ Frieden für alle – das sei sein Wunsch, sagt Platzeck, auch im Namen seiner vier Kinder und sieben Enkel.
Ein Film von Michael Huppertz
Erstveröffentlichung: 29. Juli 2021
Dauer: 57 Minuten, 32 Sekunden.












